Eine fast perfekte Reise

Reiter Calvin Böckmann war in Kentucky

44 von 45 Sprüngen klappten, doch ein Fehler sorgte dafür, dass Vielseitigkeitsreiter Calvin Böckmann beim großen Turnier in den USA doch nicht unter die besten Fünf kam. Die Tage im „Mekka des Pferdesports“ waren für den Reiter aus dem Team Düsseldorf dennoch etwas Besonderes.

So ein Turnierkalender kann manchmal gnadenlos sein. Man muss nur bei Calvin Böckmann nachfragen. Erst vergangene Woche Dienstag war er wieder in Deutschland gelandet, da musste er am Mittwoch direkt wieder durch ein Gelände reiten. Und auch wenn er sich wegen des langen Flugs aus den USA „wie in Trance“ gefühlt habe, wie er lachend sagt, war er dennoch zufrieden dem Turnier: „Das Pferd war richtig gut, das ist meine Hoffnung für Los Angeles 2028.“

Die Rede ist von Kasparow. Aber aktuell steht ein anderes Pferd im Vordergrund. Und mit dem soll es nicht nach LA gehen, sondern nach Paris, wo bereits dieses Jahr Olympische Spiele anstehen. Phantom of the Opera heißt das, mit dem war Calvin Böckmann gerade in den USA. Und auch über das spricht der 23-Jährige in höchsten Tönen: „Das war das größte und schwerste Turnier, das ich je geritten bin. Das Pferd hat alles einfach aussehen lassen. Das gibt mir die Bestätigung, dass es dahin gehört.“

Starke erste 5-Sterne-Prüfung

Foto: Pompo Mompo Horse Photography

Dahin? Das ist die Weltspitze. Die traf sich jüngst in Lexington im US-Bundesstaat Kentucky, im „Mekka des Pferdesports“, wie es heißt. Und Calvin Böckmann war dabei. Zum ersten Mal bei einer 5-Sterne-Prüfung in der Vielseitigkeit, aber er meisterte sie mit Bravour. Zwar stand am Ende „nur“ Platz 18, aber das spiegelt die Leistung nur unzureichend wider. „45 Sprünge, 44 waren ein Traum. Aber bei dem einen Sprung, da ging es hinter einer Kurve bestimmt 1,80 Meter runter, hatte Phantom nicht ganz auf dem Schirm, was er machen soll“, sagt Böckmann. Hätte alles geklappt, wäre er auf einem ganz starken vierten Rang gelandet. Was natürlich auch seine Olympiachancen gesteigert hätte.

Ist man da trotzdem glücklich, erstmals eins der schwersten Turniere der Welt absolviert zu haben? Oder doch eher enttäuscht, weil dieser eine Sprung das Gesamtergebnis trübt? „So ganz habe ich das noch nicht verdaut“, gibt Böckmann zu, „aber am Ende darf ich gar nicht nicht zufrieden sein.“ Denn so läuft es nun mal im Sport – gerade in einem, in dem es auch noch auf ein zweites Lebewesen ankommt. Da kann man nicht alles bis ins letzte Detail planen.

Lange Familientradition

Calvin Böckmann weiß das natürlich. Er ist zwar erst 23 Jahre alt, aber er gehört längst zur nationalen Spitze. Schon im Vorjahr schaffte er es bei den Erwachsenen in den Bundeskader der Vielseitigkeit, wenn man so will, die Nationalmannschaft. Damit führt er eine Familientradition fort. 1988 gewann seine Mutter Simone (geborene Richter) als erste Frau die Deutsche Meisterschaft in der Vielseitigkeit. Auch sein Vater Roger war Vielseitigkeitsreiter, Tanten, Großeltern oder Geschwister sind ebenfalls im Reitsport aktiv.

Calvin Böckmann auf dem Bergerhof in Düsseldorf. Foto: Kenny Beele

Ein Teil dieser Familiengeschichte spielt in Düsseldorf. Seit Mitte der 1980er führt die Familie seiner Mutter den Bergerhof in Lohausen. Calvin war schon als Kind immer wieder da, das sei immer „wie nach Hause kommen“ gewesen. Da lag es nahe, dass er auch für Düsseldorf startet. 2023 wurde er auch ins Elite-Förderteam von D.SPORTS aufgenommen, das Athlet:innen auf ihrem Weg zu den Olympischen und Paralympischen Spielen unterstützt. Denn dort will er hin.

Olympiaentscheidung fällt im Juli

Kentucky hat ihn da ein Stück näher gebracht. Wobei es natürlich um einiges besser aussehen würde, hätte er in den USA wirklich den 4. Platz belegt. So steht er in der deutschen Rangliste noch nicht unter den Top-3, aber das braucht es, um einen der begehrten Olympiaplätze zu ergattern. Aber noch ist nichts entschieden, erst Anfang Juli beim großen CHIO in Aachen fällt die endgültige Entscheidung, wer es nach Paris schafft.

Und selbst wenn es nicht klappt: Die Tage in Kentucky wird Calvin Böckmann so schnell nicht vergessen. Nicht nur, dass er zum ersten Mal überhaupt in den USA war, es war das Gesamterlebnis. Allein die Vorbereitung habe fast ein halbes Jahr gedauert. Die eigene sportliche, aber vor allem die Organisation der Reise. „Unglaublich viel Aufwand“ sei das gewesen, sagt er. „Wenn ich meine Mama nicht hätte, wäre ich aufgeschmissen.“ Die kümmerte sich um den ganzen Papierkram, besonders für das Pferd. Bluttest, Gesundheitspapiere vom Amtsveterinär. Hinzu kamen Sachen wie Sattel, Decken, Zaumzeug. Damit checkt man ja nicht einfach am Schalter ein wie als normaler USA-Reisender. „Das war schon ein Akt, aber ich will es um jeden Preis noch mal machen.“

Fotos: Pompo Mompo Horse Photography

Denn die Erlebnisse waren überwältigend. Die Anlage, das Publikum, das ganze Drumherum. Mehr als 100.000 Fans waren an den vier Tagen gekommen. Nicht wenige davon zelebrierten die Tage, wie man das kennt aus dem US-Sport. Schon morgens waren sie mit ihren Trucks und Pickups auf dem Parkplatz gekommen, bauten Zelte und Grills auf, feierten sich und den Sport.

Selbst das FBI war vor Ort

Auch innerhalb der Anlage hatte alles eine andere Dimension, als Böckmann das sonst gewohnt ist. Das begann schon bei der Sicherheit. Die ausländischen Pferde durften aus Quarantäne-Gründen nicht mit den amerikanischen in einem Stall stehen, also bekamen sie einen eigenen Bereich. „Das waren bestimmt 80 bis 100 Boxen, davor stand ein Security“, sagt Böckmann. Während des Turniers kamen 200 zusätzliche Polizisten, selbst das FBI und Homeland Security waren da. Wobei das auch nicht ganz verwunderlich gewesen sei, schließlich waren diverse teure Pferde am Start.

Auch sportlich sei es fast perfekt gelaufen. „Die meisten wollen beim ersten Mal irgendwie ins Ziel kommen, wir sind 18. geworden, ich war der jüngste platzierte Teilnehmer.“ Vor allem aber habe Pferd Phantom „alle begeistert, das lässt hoffen auf mehr“.

Da sahen auch die Fans so. Als Böckmann nach Hause flog, wurde er erkannt, musste zahlreiche Autogramme schreiben und für Selfies posieren. Erst danach ging es von einer unvergesslichen Woche nach Hause. Aber Zeit zum Reflektieren war kaum. Gleich am nächsten Tag stand ja wieder ein Turnier an.

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